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USA Reise

Ein Blog über eine Reise in die USA

12-17 April: Besuch an Chicago

April 20, 2024 — R.A. te Boekhorst

Nach einer etwas schlaflosen Nacht kamen Elli und ich in Chicago an. Das erste, was wir sahen, war eine große Bahnhofshalle, in der viele Amish People und auch andere warteten.

Chicago-Union-Station

Nach einem kurzen WC-Stopp liefen wir weiter zur Ogly-Vile CTA (Chicago Transit Agency, glaube ich). Dort kamen nämlich die Regionalzüge an. Wir waren ziemlich verwirrt, als wir feststellten, dass der Bahnhof für die Regionalzüge eigentlich nur ein großes Einkaufszentrum in einem der gläsernen Wolkenkratzer war. Dann tauchten wir durch alle möglichen seltsamen dunklen Hallen, bis wir die Metra-Wagen sahen. Dröhnende Maschinen und Hunderte von automatischen Stimmen, die uns immer wieder sagten, welcher Bahnsteig es war: "Gleis 5... Gleis 6 für Metra... Gleis 7 für Metra Zug nach..."

Oglyville

Es dauerte etwa eine halbe Stunde und dann kamen wir in Evanston an.Dann sind wir zu meiner guten Freundin Theresa gelaufen, die jetzt mit ihrer gerade geborenen Tochter Aurore dort lebt. Bei ihr haben wir einen Kaffee getrunken und ein paar Stunden geplaudert. Am Abend sind wir dann noch ein wenig in Evanston herumgelaufen, haben uns den riesigen "Michigan Lake" angeschaut und das Wasser gekostet (klar, es war Süßwasser, auch wenn der See so groß wie ein Meer erscheint) und sind dann am Universitätscampus vorbei gelaufen, wo Theresas Mann Michael arbeitet.

Evanston

Dann haben wir uns eine typische Chicagoer Pizza bestellt, die eigentlich eine Art Quiche ist. War sehr lecker und im Gegensatz zu den meisten Restaurants oder Imbissbuden (ja, sogar MacDonalds), war das Essen auch nicht so teuer. Die große Quiche kostete nur 25 Dollar.

Chicago-Pizzas

Am nächsten Tag haben Elli und ich Chicago weiter erkundet. Zuerst wollten wir mit dem Fahrrad umherfahren, aber wir mussten feststellen, dass man ohne Kreditkarte kein Fahrrad mieten konnte. Also fuhren wir mit der U-Bahn. Wir sind in die berüchtigte "rote Linie" eingestiegen, die auch (vor allem nachts) von vielen Junkies und Obdachlosen benutzt wird. Die Metro fuhr viel oberirdisch, über alle möglichen Brücken durch die Stadt. Das Wetter war schön und warm.

Chicago-metro

Auf unserem Weg ins Stadtzentrum kamen wir an einigen wohlhabenderen Wohngebieten der Mittelschicht vorbei...

Chicago-Neighbourhoods

... und dann spazierten wir durch einen schönen Park am Ufer des Michigansees in die Innenstadt, wo wir wieder überall Wolkenkratzer sahen.

Chicago-downtown

Dann kehrten wir nach Evanston zurück, wo wir einigermaßen gut schliefen, weil wir noch nicht wussten, dass die Heizungen in manchen Gebäuden in den USA wie in Russland funktionieren: Es gibt ein zentrales Heizungssystem, das bestimmt, wann die Heizung eingeschaltet wird. Wenn die Heizung dann anspringt, weil es "Winter" ist, wird es heiß. Man kann die Heizung dann nicht herunterdrehen, denn die hat keinen Schalter oder Knopf oder so. Dann muss man eben ein Fenster öffnen. Wir dachten schon, es sei Sommer, als wir nachts schweißgebadet aufgewacht sind :). Nachdem wir das Fenster geöffnet hatten, ging es zum Glück viel besser.

Am nächsten Tag gingen wir mit Theresa und ihrer kleinen Tochter raus. Wir besuchten das Chicago Art Institute, wo wir viele Impressionisten, wie zum Beispiel Monet, sahen. Wir sahen uns aber auch alle möglichen anderen Kunstwerke an, darunter ein weiteres berühmtes Gemälde von Hopper:

Ich habe auch einige verrückte Statuen gefunden, die mir gefallen haben:

Und wir haben auch eine Menge verrückter moderner Kunst gesehen...

...Und was wir besonders faszinierend fanden: Zimmerminiaturen (d.h. kleine Modelle von Wohnzimmereinrichtungen aus verschiedenen Ländern und Jahren in verschiedenen Ländern) von einer Frau namens "Narcissa Niblack Thorne", aus dem Jahr 1930. Die Miniaturen waren sehr "echt", es steckte also viel Recherche dahinter, was alles an Möbel in die Räume der damaligen Zeit gehörte. die Zimmerminiaturen waren aber auch idealisiert:

Danach trafen wir einen guten Freund von Theresa: Stan. Ursprünglich aus Polen, aber hier geboren und aufgewachsen, sprach er mehr als drei Sprachen. Die wichtigsten waren, neben natürlich Englisch: Chinesisch (er hatte mehrere Jahre in China gelebt), Spanisch und Deutsch. So konnten wir uns mit ihm fließend auf Deutsch unterhalten, was für Elli, die gelegentlich etwas Mühe hat, das Englisch zu verstehen, sehr angenehm war.

Stan nahm uns mit nach China Town, wo wir uns kleine Läden voller Trödel ansahen, leckeres Eis neben einem Wunschbaum aßen, schlecht geschriebenen Warnschildern sahen und auch unsere chinesischen Sternzeichentiere herausfinden konnten (Ich bin eine Schlange und Elli ein Schaf).

Wir gingen auch durch einen schönen Park, der einem gewissen Ping Tom gewidmet ist. Jemand, der für China Town viel bedeutet hat.

Stan brachte uns auch nach Pilsen. Pilsen ist ein Stadtteil, der, wie der Name schon sagt, früher von Menschen aus der Tschechischen Republik bewohnt wurde. Aber die Viertel verändern sich ziemlich schnell in den Großstädten. Jetzt ist es ein Latino-Viertel geworden. Wir haben dort viel Straßenkunst gesehen und in einem "echten" mexikanischen Restaurant leckeres mexikanisches Essen gegessen. Stan bestellte für uns Tacos in fließendem Spanisch.

Nachts sind wir dann wieder mit der "roten Linie" nach Evanston gefahren. Da konnten wir was erleben... überall Junkies und betrunkene Menschen. Neben uns saß eine Frau, die "Crack" (Kokain) rauchte, im nächsten Waggon (wir waren erschrocken und stiegen in einen anderen Waggon) saß ein Mann, der in eine Ecke kackte... dann wechselten wir die U-Bahn, eine seltsame verlorene Gestalt sprach vor sich ihm und sah schrecklich aus.... plötzlich hielt die U-Bahn an, weil jemand die Notbremse gezogen hatte.... wir waren ziemlich erschrocken, aber wir kamen um ein Uhr (01:00) sicher zu Hause an. Zufälligerweise war Theresa schon wieder wach und stillte ihre kleine Tochter, so dass wir ihr gleich alles erzählen konnten. Wir wurden wieder daran erinnert, dass Chicago eine sehr kriminelle Stadt ist, in der es viel Armut gibt. Wir hätten aber noch nichts gesehen, Theresa meinte, im Süden wäre es erst richtig schlimm und es würden jede Woche Menschen sterben. Letzteres überraschte mich überhaupt nicht, denn wir hatten hier an fast jedem öffentlichen Gebäude Aufkleber gesehen, auf denen stand, dass man keine Waffe mit hinein nehmen darf. In Europa bräuchte man davor nicht zu warnen, weil man dort nicht einfach eine Waffe haben kann. Die USA sind das einzige Land, das so gestört ist, dass man Waffen einfach in Geschäften kaufen kann.

Am nächsten Tag fuhren wir mit Theresa und ihrem Baby nach Linden. Die letzte U-Bahn-Station der lila Linie. Viel ruhiger als Downtown Chicago und auch viel weniger obdachlose, verlorene Menschen. "Hier wohnen also all die reichen Leute", erklärte uns Theresa, "in den reichen Vororten." Sobald wir die ruhige U-Bahn-Station verließen, sahen wir eine Straße, die von Villen gesäumt war, und dahinter sahen wir eine Art Palast, ein Bahai-Tempel, auftauchen. Die Bahai sind eine Religion aus dem Iran, die allerdings von den dort herrschenden Hardcore-Islamisten verboten wurde. Hier befindet sich einer der wenigen Bahai Tempel weltweit. Er ist auch eine der wenigen religiösen Einrichtungen, in denen man sich kostenlos trauen lassen kann (sonst zahlt man viel Geld dafür, so Theresa). Theresa hatte sich sogar erkundigt, ob sie auch hier hätte heiraten können, aber anscheinend hätte sie dann doch nach den Traditionen und der Religion der Bahai heiraten müssen, also mit Konvertierung und allem.

Nachdem wir uns in den Gärten des Bahai-Tempels entspannt hatten, besuchten wir ein Museum, das über die amerikanischen Ureinwohner informierte. Es war ein kleines Museum. Im Erdgeschoss waren verschiedene Gegenstände ausgestellt, die von verschiedenen Stämmen benutzt wurden. Außerdem hingen dort Schilder, die über die Geschichte informierten. Eine wichtige Tatsache: Pferde wurden um 1520 von den Spaniern eingeführt. Davor hatten die Indianer keine Pferde, sondern machten alles zu Fuß oder mit dem Boot. Dann passten sie ihre Lebensweise an ein Leben mit Pferden an und so entstanden die Tipis und all die Bilder von "Indianern", die wir von den Büchern und Filmen so gut kennen. Die zweite Etage des Museums befasste sich mit einem ziemlich schweren und deprimierendem Thema. Nämlich um die Reservate, in denen die Indianer, also die "native americans", heute leben. Bei einem Reservat handelt es sich um eine Art autonomes Stück Land, auf dem kleine Gemeinschaften von Ureinwohnern leben. Diese Reservate haben unabhängige, nationale Beziehungen zum Rest der USA, sie sind also so etwas wie eigene Staaten. Das klingt an sich gut, aber in der Praxis ist es eher schlecht. Die Sache ist die, dass die Reservate nicht viel Polizeimacht haben, weil sie nur kleine Gemeinden sind. Das hat zur Folge, dass Amerikaner (sozusagen die Nicht-Indianer) dorthin gehen und die Menschen misshandeln, weil sie sehr einfach davon kommen können. Dabei geht es vor allem um Misshandlung von Frauen. Eine Frau aus einem Reservat hat ein viel höheres Risiko vergewaltigt zu werden als jede andere amerikanische Frau. Außerdem werden viele Frauen aus Reservaten ausgeraubt oder entführt, sie "verschwinden." Wegen dieser schrecklichen Bedingungen und auch wegen eines großen gemeinschaftlichen Traumas (sie mussten schreckliche Kriege, fast Völkermorde, seitens der Amerikaner erleben), geht für die Uhreinwohner alles bergab, was wiederum zu viel häuslicher Gewalt in der Gemeinschaft selbst führt... es ist also eine Abwärtsspirale des Elends, ein Hexenkreis, der viele dazu auch noch drogenabhängig macht.

Ich gab dem Museum 20 Dollar als Spende. Dann kehrten wir nach Evanston zurück, Theresa fuhr nach Hause und wir fuhren für eine Weile zurück in die Stadt. Dort wurden wir bald wieder mit der rauen Wirklichkeit der Stadt konfrontiert. Wir sahen einen Mann in einem Blumenbeet mitten in der Stadt liegen, bewusstlos. Ich habe auch ein Foto von ihm gemacht, aber jetzt doch beschlossen, es nicht in diesem Blog zu veröffentlichen.

Wir stiegen am "Cultural Center" aus. Dies war früher die Stadtbibliothek, wird aber jetzt für kostenlose Kunstausstellungen genutzt. Ein schönes Gebäude.

Heute blieben wir zu fällig ganz im Thema der Ureinwohner. Denn die kostenlose Ausstellung zeigte Kunst der Ureinwohner die kulturellen Aneignung thematisierte. Einige Künstler haben in ihren Kunstwerken versucht die Bedeutung alter Soldatenuniformen, Waffen und Drohnen in friedfertige Objekte wie Tanzkleidung und Malerei umzuwandeln, um sie kulturell für den Frieden zu nutzen, so zu sagen dem Frieden zu zueignen. Ein schöner Gedanke.

Danach besuchten wir die neue Stadtbibliothek, ebenfalls ein schönes Gebäude. Dort hing auch ein sehr interessanter Text an der Wand, der den Leser darüber informierte, dass viele Amerikaner mit der politischen Situation im Land unzufrieden sind (wo man nur zwei alte Männer wählen kann, die nach jeder Wahl versuchen, die Politik des jeweils anderen zunichte zu machen). Die Stadtbibliothek heißt "Howard Library", nach dem schwarzen Politiker Howard, der der Stadt durch den Bau dieser Bibliothek (aber auch eines Flughafens und eines Theaters) viel gegeben hat.

Und das war der letzte Tag in Chicago :). Am nächsten Tag verabschiedeten wir uns und hatten ein viel leichteres Gepäck, weil wir alle Babygeschenke bei Theresa lassen konnten. Wir packten unsere Koffer, stiegen ein letztes Mal in die Metra, fanden unseren Weg durch die Bahnhofshalle mit den Amish People und landeten nach einer dreistündigen Verspätung in einer Lounge voller kostenlosem Kaffee und Keksen (wir hatten ein Erste-Klasse-Ticket mit Schlafplätzen) sicher in unserer kleinen Schlafkabine im Amtrack-Zug "the Empire Builder".

Tags: USA, April, Chicago, 12-April, 13-April, 14-April, 15-April, 16-April, 17-April